Der TransBIB Kompetenzpool stellt sich vor – Im Gespräch mit Dr. Volker Wagner-Solbach
Geschäftsführer und Eigentümer | Sanomol GmbH
Dr. Manfred Kircher: Guten Tag, Herr Wagner-Solbach! Ich freue mich auf unser Gespräch.
Dr. Volker Wagner-Solbach: Herr Kircher, wir kennen uns ja auch schon eine ganze Weile. Ich meine, unser erstes Treffen war damals bei CLIB, zum Thema 5-HMF, wenn ich mich richtig erinnere.
Dr. Manfred Kircher: Ja genau, daran erinnere ich mich auch noch gut.
Dr. Volker Wagner-Solbach: Das ist schon viele Jahre her. In der Bioökonomie sind die Wege kurz – man begegnet sich immer wieder.
Dr. Manfred Kircher: Ja, wobei die Szene inzwischen deutlich breiter geworden ist – und das muss sie auch, wenn wir die Bioökonomie in ihrer ganzen Komplexität ernst nehmen wollen.
Dr. Volker Wagner-Solbach: Absolut.
Dr. Manfred Kircher: Sie haben es eben schon angesprochen: Wir kennen uns schon länger – das heißt, Sie sind auch schon lange im Themenfeld aktiv. Vielleicht erzählen Sie uns ein wenig über Ihren Einstieg in die Bioökonomie – und was Sie persönlich motiviert hat, sich damit zu beschäftigen?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Gerne. Ich bin von Haus aus Chemiker und habe 1985 an der LMU München mein Studium begonnen. Anfang der 1990er habe ich dann an der TU München in ökologischer Chemie promoviert – im Auftrag der Firma Solvay bzw. Peroxid Chemie.
Damals war das Thema Nachhaltigkeit vor allem unter dem Stichwort End of Pipe präsent: Ich durfte am Ende eines Abwasserrohrs, in der Textilveredelungsindustrie, untersuchen, wie sich chemische Inhaltsstoffe zu besser biologisch abbaubaren Inhaltsstoffen umwandeln lassen.
Seitdem hat sich zum Glück vieles weiterentwickelt. Die Bioökonomie ist entstanden, heute sprechen wir über biobasierte Kreislaufwirtschaft – ein zentrales Thema unserer Zeit. Ich freue mich sehr darüber, dass das Thema heute breite Aufmerksamkeit bekommt und dass sich immer mehr Menschen dafür engagieren.
Meine persönliche Motivation ist dabei dieselbe geblieben: Ich möchte die Welt zu einem besseren Ort machen – und gleichzeitig die Annehmlichkeiten nutzen, die uns moderne Chemie und Biotechnologie bieten.
Es geht darum, diesen Planeten lebenswert zu gestalten, ohne auf die Qualität und den Komfort moderner Produkte verzichten zu müssen.
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"Ich möchte die Welt zu einem besseren Ort machen – und gleichzeitig die Annehmlichkeiten nutzen, die uns moderne Chemie und Biotechnologie bieten."
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Dr. Manfred Kircher: Sie haben eben das Thema „biologische Abbaubarkeit“ angesprochen – das war also Ihr erster Zugang zur Bioökonomie. Für viele Kolleginnen und Kollegen ist das tatsächlich ein klassischer Einstieg: die Frage, ob ein Produkt ökologisch verträglich und biologisch abbaubar ist. Meine Frage – vor dem Hintergrund Ihrer Erfahrung:
Reicht es aus, ein bioabbaubares Produkt zu entwickeln, um damit auch ein gutes, wirtschaftlich tragfähiges Geschäft aufzubauen?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Nein, das reicht nicht – das habe ich damals auch gelernt. Es hat zwar gut funktioniert, die Textilveredelungsabwässer biologisch besser abbaubar zu machen, aber es wurden nur wenige Anlagen gebaut. Viele Textilunternehmen haben in den 1990er Jahren den Weg nach Südostasien gesucht – in der Hoffnung, sich diese Investitionen zu sparen. Was ich aber auch gelernt habe: Die Firmen, die damals auf bessere, umweltverträglichere Produkte gesetzt haben, gibt es größtenteils heute noch. Sie stellen hochwertige technische Textilien her, die beispielsweise in der Automobil- oder Luftfahrtindustrie eingesetzt werden. Der Weg in den Billigmarkt ist immer kurzfristig – viele der Unternehmen, die damals ins Ausland gegangen sind, existieren heute nicht mehr oder wurden längst übernommen. Daraus habe ich gelernt: Es lohnt sich, auf Qualität und Innovation zu setzen. Das ist entscheidend.
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"Es lohnt sich, auf Qualität und Innovation zu setzen."
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Dr. Manfred Kircher: Sie sprechen von „besseren Produkten“ – das ist ja ein recht umfassender Begriff.
Können Sie das etwas konkreter fassen? Was genau macht ein Produkt wettbewerbsfähig? Was bedeutet in diesem Zusammenhang „besser“?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Entscheidend ist, dass der Verbraucher einen echten Nutzen davon hat. Ein gutes Beispiel ist meine Arbeit bei der Firma AMSilk, wo ich unter anderem die Spinnenseidenproduktion mit skaliert habe. Als ich dort anfing, konnte das Unternehmen etliche Kilogramm pro Jahr eines Produkts namens Silkgel herstellen – ein thixotropes Gel aus 3 % Protein in 97 % Wasser. Dieses Gel kann Silikon ersetzen, zum Beispiel in Haarpflegeprodukten. Es ist biologisch abbaubar – im Gegensatz zu Silikon – und verleiht dem Haar sichtbar mehr Glanz und Geschmeidigkeit.
Das hat auch Natura, einer der größten Kosmetikhersteller weltweit, erkannt. Sie verwenden dieses Produkt bis heute. Silkgel wird außerdem in Repellents eingesetzt – es sorgt dafür, dass der Wirkstoff länger auf der Haut bleibt. Im Gegensatz zu Silikon bleibt die Haut dabei atmungsaktiv. Das sind spürbare Vorteile für den Verbraucher: schönere Haare, angenehmere Haut. Das macht ein Produkt besser – und genau das merken die Leute.
Dr. Manfred Kircher: Und diese Wirkung muss dann natürlich auch nachweisbar sein, nehme ich an?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Absolut – das wurde in zahlreichen externen Studien belegt. Wichtig ist: Es geht nicht darum, ein bestehendes Produkt 1:1 zu ersetzen, sondern ein besseres Produkt zu entwickeln – mit echten Mehrwerten. Das lässt sich dann auch entsprechend gut vermarkten. In meiner Zeit bei AMSilk hatten wir die Produktion innerhalb von eineinhalb Jahren auf etliche Tonnen pro Batch hochskaliert. Diese Chargen wurden dann regelmäßig nach Brasilien geliefert, zu Natura, und von dort aus gingen die fertigen Produkte weltweit in den Verkauf.
Es gab zahlreiche Produktserien, in denen Silkgel enthalten war – und teilweise bis heute ist. Der Erfolg war so groß, dass Givaudan, der Weltmarktführer für Kosmetikinhaltsstoffe, schließlich die Rechte am gesamten Kosmetikgeschäft von AMSilk übernommen hat. Wie gut das Produkt ankommt, zeigt auch, dass Natura 2019 zunächst eine Haarpflegeserie auf den Markt brachte – und Givaudan letztes Jahr noch eine komplette Hautpflegeserie nachgelegt hat. Diese wurde 2024 auf der in-cosmetics in Paris vorgestellt. Das zeigt: Die Entwicklung geht weiter. Es kommen ständig neue Produkte hinzu – aber die Basis ist immer das gleiche: Spinnenseide bzw. Silkgel. Und ja, ich freue mich riesig, dass diese und andere Produkte inzwischen in Drogeriemärkten wie DM oder Müller erhältlich sind – ganz real, im Regal.
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"Und ja, ich freue mich riesig, dass diese und andere Produkte inzwischen in Drogeriemärkten wie DM oder Müller erhältlich sind – ganz real, im Regal."
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Dr. Manfred Kircher: Das ist wirklich eine echte Erfolgsstory – gerade für ein Hochtechnologieprodukt wie dieses.
Schließlich ist die mikrobielle Herstellung von Spinnenseide das Ergebnis anspruchsvoller wissenschaftlicher Forschung. Wir sind jetzt direkt in ein Produktbeispiel eingestiegen, das sich von der Laboridee bis hin zum fertigen Markenprodukt entwickelt hat. Sie haben auch den Upscaling-Prozess geschildert, der parallel zur Markteinführung lief – das ist sicher für viele Zuhörerinnen und Zuhörer besonders spannend. Können Sie diesen Weg – vom ersten Produkt im Erlenmeyerkolben bis hin zum Brand Owner – noch einmal näher erläutern?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Ja, sehr gerne. Vom Erlenmeyerkolben kommt man meist recht schnell zum 10-Liter-Reaktor, den man im Labor zur Verfügung hat. Dann setzt man beispielsweise einen Fed-Batch-Prozess mit einem Mikroorganismus auf – und der funktioniert im Labor oft sehr gut. Aber da muss man genau hinschauen: Warum funktioniert er so gut? Welche Rohstoffe verwende ich? Ein typisches Beispiel: Im Labor kauft man oft reine Glukose vom Chemikalienhändler. Aber in der industriellen Praxis wird keine 99,9-prozentige Glukose verwendet – da kommt etwa Dextrose 95 zum Einsatz. Die enthält nur rund 95 % Einfachzucker, dazu Zwei- und Dreifachzucker – das Verhalten in der Fermentation ist also ganz anders. Deshalb ist es wichtig, früh mit den Einsatzstoffen zu arbeiten, die auch in der Großtechnologie verwendet werden.
Die großen Zuckerproduzenten – ob in Europa, Amerika oder anderswo – bieten verschiedene Zuckerqualitäten an, die sich besser für industrielle Prozesse eignen. Wenn der Prozess dann im 10-Liter-Reaktor funktioniert, kann man überlegen: Mache ich den nächsten Schritt auf 100 Liter, dann 1.000 Liter, dann 10 Kubikmeter? Oder überspringe ich bewusst Zwischenschritte und gehe direkt auf 25 oder 50 Kubikmeter?
Ich würde Letzteres durchaus empfehlen. Vielleicht noch einen Zwischenschritt zur Absicherung – aber grundsätzlich ist ein großer Skalierungssprung oft möglich. Wenn es funktioniert, hat man direkt ein marktfähiges Produkt oder zumindest größere Mustermengen, die man verkaufen kann. In einem 1.000-Liter-Reaktor hingegen produziert man oft nur Kosten, ohne dass dabei etwas Verwertbares herauskommt. Deshalb sage ich immer: No risk, no fun.
Man muss abwägen: Wie viel Zeit wollen wir investieren? Wie viel Sicherheit brauchen wir? Ich plädiere eher dafür, durchdacht, aber mutig vorzugehen – also kalkuliertes Risiko einzugehen. Das spart am Ende Zeit, Geld – und bringt das Produkt schneller auf den Markt.
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"Deshalb ist es wichtig, früh mit den Einsatzstoffen zu arbeiten, die auch in der Großtechnologie verwendet werden."
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Dr. Manfred Kircher: Sie haben jetzt den Herstellungsprozess beschrieben – bleiben wir beim Beispiel Spinnenseide. Sie haben gezeigt, wie man ein industrietaugliches Verfahren aufbaut. Das ist aufwendig und teuer – selbst wenn man sich für den Anfang in eine Anlage einmietet. Aber: Die Spinnenseide ist ja noch nicht das fertige Endprodukt. Im Fall von AMSilk war die Anwendung ein Hair Conditioner – das ist echtes Spezialwissen. Ich nehme an, das Know-how, wie man einen Conditioner entwickelt, war bei AMSilk zunächst nicht vorhanden. Wie kommt man darauf, dass Hair Conditioning überhaupt eine passende Anwendung sein könnte? Und wie findet man dann die richtigen Anwender – also Kunden, die selbst Entwicklungsaufwand betreiben müssen? Auf welcher Stufe des Upscalings würden Sie empfehlen, mit solchen Kontakten zu starten?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Die Kontakte sollte man so früh wie möglich aufbauen.
Denn am Ende geht es um Formulierung – also wie sich der Wirkstoff in einem fertigen Produkt verarbeiten lässt.
Dazu braucht man sogenannte Formulation Guides, also Richtlinien, wie der Stoff sinnvoll eingesetzt werden kann. Das kann man extern entwickeln lassen – aber bei AMSilk haben wir dieses Wissen auch intern aufgebaut. Wir haben den Kunden geholfen, das Silkgel sinnvoll zu formulieren.
Ob sie es dann eins zu eins übernommen haben oder ihr eigenes Rezept entwickelt haben, ist ihre Entscheidung – aber mit einem guten Guide konnte man die Anwendung erleichtern.
So entsteht eine Brücke zum Kunden: Man zeigt, wie der Stoff eingesetzt werden kann – und spart beiden Seiten Zeit. Man wartet also nicht einfach ab, ob der Kunde schon den richtigen Weg findet, sondern bringt aktiv Know-how ein.
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"Man wartet also nicht einfach ab, ob der Kunde schon den richtigen Weg findet, sondern bringt aktiv Know-how ein."
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Dr. Manfred Kircher: Welche Empfehlungen würden Sie für die Vertragsgestaltung geben?
Ein Unternehmen wie AMSilk – sicher hochprofessionell, aber als Start-up mit begrenzten Ressourcen – verhandelt ja mit Großunternehmen, die eigene Rechtsabteilungen und starke Marken haben.
Wie sollte sich ein junges Unternehmen positionieren, um nicht direkt alle Daten und Rechte aus der Hand zu geben?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Das ist ein extrem wichtiger Punkt.
Der allererste Mitarbeiter bei AMSilk war für das Thema Patente zuständig – und ist, glaube ich, bis heute dabei. Gerade bei Verträgen mit großen Playern sollte man sich gut wappnen.
Die Gegenseite hat exzellente Anwälte – da muss man selbst auch professionell aufgestellt sein.
Es gibt Vertragsanwälte, die auf solche Verhandlungen spezialisiert sind. Ja, die kosten viel Geld – aber das ist gut investiert, wenn es um zentrale Unternehmenswerte geht. Man merkt schnell, wie ernst die Gegenseite das Ganze nimmt: Man bekommt vielleicht gleich einen 40-seitigen Vertragsentwurf, eng bedruckt mit Paragrafen und Klauseln, von denen viele potenziell problematisch sind.
Da habe ich gelernt: Man kann viele dieser Klauseln einfach streichen.
Solange, bis man ein Dokument hat, das man vertreten kann – mit gesundem Menschenverstand, aber auch mit klaren Prinzipien.
Und das schafft man nicht allein – da braucht man Fachleute an seiner Seite, die einem helfen, die eigenen Interessen konsequent durchzusetzen.
Dr. Manfred Kircher: Verlassen wir das Thema Spinnenseide einmal. Sie haben eingangs erwähnt, dass Sie auch mit Textilfarben gearbeitet haben, Stichwort: Indigo. Dort ist das Alleinstellungsmerkmal vermutlich nicht so stark ausgeprägt wie bei einem Wirkstoff für ein Pflegeprodukt.
Was sind aus Ihrer Sicht die Unterschiede – und worauf sollte man achten, wenn man ein Produkt anbietet, das eher ein „Hilfsstoff“ ist, also nicht direkt im Fokus des Endprodukts steht?
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"Im Gegensatz zum biobasierten Indigo, das aktuell schlicht teurer ist als das fossile Pendant, lässt sich Indigoidin potenziell preisparitätisch produzieren – bei besserer Performance." Das macht den Unterschied."
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Dr. Volker Wagner-Solbach: Nehmen wir das Beispiel Indigo – ein weit verbreiteter Farbstoff, vor allem für Jeans. Das klassische Indigo färbt die Jeans blau. Nun kann man versuchen, fossiles Indigo durch biobasiertes zu ersetzen. Das ist eine gute Idee – und einige Firmen machen das auch. Aber in der Praxis stellt man am Ende das gleiche Produkt her – nur teurer.
Spannender wird es, wenn man ein anderes Molekül ins Spiel bringt – mit ähnlichen Eigenschaften, aber einem eigenen Profil: Indigoidin.
Das ist strukturell anders, funktioniert aber auch über eine Redox-Reaktion – also erst farblos, dann an der Luft blau – lässt sich aber biotechnologisch sehr gut herstellen. Indigoidin kann Indigo vollständig ersetzen. Es bietet sogar Vorteile: Es haftet besser auf dem Stoff, hat eine höhere Farbtiefe, und es ist wirtschaftlich attraktiver, weil man mit weniger Material den gleichen Effekt erzielt.
Das Unternehmen Shreenika Pioneering in Kalifornien ist aktuell der erste großtechnische Hersteller von Indigoidin. Wir arbeiten daran, den Markt dafür vorzubereiten – mit dem Ziel, dass Konsumenten irgendwann sagen: „Ich will diese Jeans – biobasiert, farbstabil, hochwertig.“ Im Gegensatz zum biobasierten Indigo, das aktuell schlicht teurer ist als das fossile Pendant, lässt sich Indigoidin potenziell preisparitätisch produzieren – bei besserer Performance. Das macht den Unterschied.
Dr. Manfred Kircher: Sie haben jetzt zwei ganz unterschiedliche Beispiele vorgestellt – und deutlich gemacht, dass Sie sowohl die Biotechnologie selbst verstehen als auch den Weg bis zum marktfähigen Produkt begleiten können. Sie haben Unternehmen genannt, Produktionsgrößen, Märkte.
Wo würden Sie persönlich Ihre besondere Stärke sehen, wenn es um Ihre Beratungsleistung im Rahmen von TransBIB geht?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Ich sehe meine Stärke darin, Firmen mit der Welt da draußen zu verbinden. Ich nenne das immer: Sourcing – Scaling – Selling.
Also: Wo bekomme ich die richtigen Einsatzstoffe her? Wer sind die besten Produktionspartner, mit denen ich etwas Industriell herstellen kann? Da geht’s dann um sogenannte Custom Manufacturing Organizations oder Contract Development and Manufacturing Organizations, also CDMOs.
Und schließlich: Wo finde ich die passenden Kunden für das Produkt?
Denn manchmal reicht es eben nicht, nur das Molekül zu verkaufen – man muss sich auch überlegen, wie die Anwendung aussieht.
Da hilft es, gemeinsam mit Partnern an der Formulierung zu arbeiten, um dann ein fertiges, marktfähiges Produkt anbieten zu können. Erst dann kann man zum Beispiel auf große Markenhersteller zugehen und sagen: „Ich habe nicht nur den Wirkstoff, ich zeige dir auch, wie du ihn einsetzen kannst.“
All diese Kontakte nach außen – das fällt vielen Firmen schwer. Es ist nicht einfach, da den Überblick zu behalten. Ich bin seit über 35 Jahren in dem Bereich unterwegs, kenne viele Märkte und bin, wie ich finde, recht umtriebig. Und ich freue mich immer, wenn ich die richtigen Kontakte zusammenbringen kann – teils systematisch, aber ganz oft einfach über persönliche Netzwerke. Gerade für Firmengründer, die frisch aus der Uni kommen, ist es schwierig, diese Leute zu kennen. Dabei ist genau das oft entscheidend.
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"Ich sehe meine Stärke darin, Firmen mit der Welt da draußen zu verbinden. Ich nenne das immer: Sourcing – Scaling – Selling."
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Dr. Manfred Kircher: Das heißt, Sie begleiten nicht nur die Markteinführung – sondern auch den Aufbau der gesamten Produktionskette?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Ganz genau.
Dr. Manfred Kircher: Dazu gehört ja oft mehr als nur der Wirkstoff an sich. Es braucht eine geeignete Formulierung, die eine sichere Anwendung ermöglicht, eine stabile Lagerung erlaubt und die gewünschte Haltbarkeit mitbringt.
Dr. Volker Wagner-Solbach: Richtig – das ist ein zentraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses.
Dr. Manfred Kircher: Sie haben erwähnt, dass Sie seit über 35 Jahren in diesem Bereich tätig sind. In dieser Zeit haben Sie ein breites Netzwerk aufgebaut, das von Start-ups bis zu etablierten Industriepartnern reicht.
Zum Abschluss: Gibt es ein Beispiel aus Ihrer Laufbahn, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Vielleicht eine Situation, in der sich eine überraschende Wendung ergeben hat – ein Aha-Moment, der sinnbildlich für Ihre Arbeit steht?
Dr. Volker Wagner-Solbach: Tatsächlich möchte ich an dieser Stelle noch einmal auf das Thema Wertschöpfungsketten zurückkommen. Ich beschäftige mich täglich mit dem Aufbau solcher Ketten – spannend ist aber, dass der Begriff Wertschöpfungskette oder Value Chain noch gar nicht so alt ist. Und ich hatte das besondere Vergnügen, den Mann zu treffen, der diesen Begriff überhaupt erst geprägt hat: Michael E. Porter.
Das war ein echtes Highlight für mich. Ihn persönlich zu erleben – jemanden, der eine theoretische Grundlage geschaffen hat, die so zentral für mein berufliches Handeln ist – das war ein besonderer Moment. Ich habe ihn damals bei einer Veranstaltung in München getroffen. Und es ist schon faszinierend, wenn ein Begriff, mit dem man sich täglich beschäftigt, plötzlich ein Gesicht bekommt.
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"... ich hatte das besondere Vergnügen, den Mann zu treffen, der diesen Begriff [Wertschöpfungskette oder Value Chain] überhaupt erst geprägt hat: Michael E. Porter"
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Dr. Manfred Kircher: Ein schönes Beispiel – Porter steht ja nicht nur für den Begriff der Wertschöpfungskette, sondern auch für die Clustertheorie. Also für die Bedeutung von Netzwerken – und damit für das, was wir mit TransBIB aktiv fördern möchten. Sie bringen dabei genau die Expertise ein, die es braucht, um diese Netzwerke in die industrielle Praxis zu überführen.
Und mit industrieller Praxis meine ich nicht nur etablierte Unternehmen, sondern bewusst auch Hochschulen, Start-ups – also all jene, die noch vor dem Markteintritt stehen.
Herr Wagner-Solbach, ganz herzlichen Dank für dieses spannende Gespräch. Sie haben sehr eindrucksvoll gezeigt, wie Sie wissenschaftliche Tiefe, industrielle Erfahrung und ein starkes Netzwerk verbinden, um junge Unternehmen auf dem Weg zur Marktreife wirkungsvoll zu unterstützen. Vielen Dank!
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Wir bedanken uns ganz herzlich bei Dr. Volker Wagner-Solbach für das Interview.
Die Fragen stellte der TransBIB-Projektmitarbeiter Dr. Manfred Kircher.